bookmark_borderKathrin Tordasi: Birds of Paris – Das magische Pendel

Vor zwei Jahren hatte ich die große Ehre, in der Jury eines Preises zu sitzen, den ich 2021 selbst gewonnen hatte: Dem Stipendium des Phantastik-Autoren-Netzwerks PAN. In der Jury für das beste Debüt war kurzfristig ein:e Juror:in ausgefallen, ich sprang begeistert ein, und auch wenn es wirklich viel Arbeit war, mich durch gut über hundert Exposés und Leseproben zu arbeiten, war das ein absolutes Highlight für mich. Als Teil der Debüt-Jury hatte ich auch ein Mitspracherecht bei der Vergabe der anderen Preise – und so lernte ich auf der Shortlist der Kategorie Kinderbuch Kathrin Tordasis Buchprojekt Die Vögel von Paris kennen, das am Ende, zu meiner Freude, seine Kategorie gewinnen konnte.

Das besondere am PAN-Stipendium ist, dass es nicht an fertig veröffentlichte Romane vergeben wird, sondern für Werke in Arbeit – vom sehr frühen Entwicklungsstadium, bei dem kaum mehr als Konzept und Leseprobe vorliegen, bis hin zur schwer überarbeitungsbedürftigen Rohfassung. Der Gewinn des Stipendiums ist kein Garant dafür, dass das Buch, wenn es einmal fertig ist, auch einen Verlag findet, und so ist mein eigenes preisgekröntes Projekt noch tief in meiner Schublade begraben, aber Kathrin Tordasi hat es geschafft, sie hat ihr Kinderbuchkonzept zu einer ganzen Reihe ausgearbeitet und diese erfolgreich an den Fischer Sauerländer-Verlag verkauft. Und ich habe etwas getan, das ich sonst nur ganz selten tue, und ein Rezensionsexemplar angefordert.

Das ist dann leider ein bisschen bei mir liegengeblieben, weil das Erscheinen von Birds of Paris – Das Magische Pendel ausgerechnet in die depressive Phase, in der ich kaum gelesen habe, gefallen ist.… Weiterlesen “Kathrin Tordasi: Birds of Paris – Das magische Pendel”

bookmark_borderMelissa Caruso: The Last Hour Between Worlds

Es gibt Bücher, die sind für mich so untrennbar mit bestimmten Feiertagen verbunden, dass ich sie immer wieder um die gleiche Zeit im Jahr lese. Das beste Beispiel, das mir dafür einfällt, ist Terry Pratchetts Hogfather, das ich jedes Jahr, wenn ich zu Weihnachten mit der Bahn zu meiner Familie gefahren bin, im Zug gelesen habe, als Hörbuch gehört oder später an Heiligabend nach der Bescherung in der Verfilmung angesehen habe. Jetzt habe ich ein Buch gefunden, das wie ein Hogfather fürs neue Jahr funktioniert, und das mich so sehr mitgerissen hat, dass ich mir vorstellen kann, es auch wieder und wieder zu lesen und zu einem meiner persönlichen Kulttitel zu erklären.

Wie so viele Bücher, die ich zur Zeit lese, war das kein gezielter Kauf, sondern ist mir über eine Buchbox ins Haus geflattert, in diesem Fall die Illumicrate vom letzten November. Diese Bücher sammeln sich auf einem Regal in meinem Schlafzimmer, und weil mein Ziel ist, sie schneller wegzulesen, als sie nachkommen, haben sie gerade eine hohe Priorität auf meinem Stapel ungelesener Bücher. Vor allem bei der Illumiucrate war noch kein Fehlgriff dabei – aber ich hatte noch kein Buch darunter, das sich so sehr wie für mich persönlich geschrieben angefühlt hat, wie das jetzt bei Melissa Carusos Last Hour Between Worlds der Fall war.

Das Buch hatte wirklich alles, um mein Herz zu gewinnen: Immer surrealistischer werdende Parallelwelten (und Parallelwelten von Parallelwelten), einen fesselnden Fantasykrimiplot, mitreißende, interessante Figuren, und eine zarte Romanze zwischen zwei Frauen, die buchstäblich sind wie Hund und Katz.… Weiterlesen “Melissa Caruso: The Last Hour Between Worlds”

bookmark_borderSamantha Sotto Yambao: Water Moon

In den letzten Jahren sind sie inflationär aus dem Boden gesprossen: Kuschelige Romane über kuschelige kleine Läden, seien es Buchhandlungen, Wollgeschäfte, Blumenläden … Es stößt mir jedes Mal auf, wenn Leute dann voller romantischer Sehnsucht nach kleinen, inhabergeführten Geschäften diese Bücher dann bei Amazon bestellen, dem Monopolisten, der am Sterben dieser kleinen Lädchen mit den größten Anteil hatte. Da bin ich persönlich vielleicht bitterer als andere, weil ich mal Buchhändler gelernt habe und zu viele Läden, einschließlich dem, in dem ich meine Ausbildung gemacht habe, habe verschwinden sehen. Und bin selbst nicht unschuldig daran, ich kaufe immer noch zu viel übers Internet und zu wenig über unsere supernette kleine Buchhandlung hier im Ort – die übrigens auch einen gutgeführten Webshop hat.

Jedenfalls hatte ich bislang wenig Impetus, auch nur einen dieser romantisierten Romane zu lesen, und als ich den ersten Blurb las für die Januar-Illumicrate-Box, über ein verstecktes kleines Pfandleihhaus, war mein erster Gedanke »Oh nein, nicht auch das noch!« Aber trotz meiner ersten Abneigung freute ich mich doch auf die Box, sie ist jeden Monat ein kleines Highlight für mich, und ich habe über sie schon so tolle Bücher gefunden wie Hammajang Luck oder Until We Shatter, die ich ohne nie gelesen hätte. Während die Bücher aus der Locked Library steigen und fallen, hatte ich noch nicht ein Illumicrate-Buch, das mir nicht gefallen hätte. Und was ich dann über Water Moon las, klang deutlich weniger nach Das schnuckelige Woll-Kontor, sondern wie ein echt schönes Buch, denn in dem versteckten Pfandleihaus verpfänden die Leute nicht irgendwelche Kleinodien oder alten Schrott, sondern die Entscheidungen, die sie im Leben am meisten bereuen.… Weiterlesen “Samantha Sotto Yambao: Water Moon”

bookmark_borderKaren Russell: Swamplandia!

Ich weiß gar nicht mehr, wie dieses Buch auf meiner Liste gelandet ist. Vielleicht wurde es mir bei Goodreads vorgeschlagen, vielleicht bin ich anderweitig darüber gestolpert, aber irgendwann vor gut dreizehn Jahren bin ich auf Karen Russells Swamplandia! gestoßen. Die Geschichte einer Familie, die in den Sümpfen Floridas vor Publikum mit Alligatoren ringt und schwimmt klang amüsant und schräg, und die Tatsache, dass der Freund der älteren Tochter vielleicht ein Geist ist, ließ mich auf phantastische Elemente hoffen – kurzum, es passte genau in mein Beuteschema außergewöhnlicher Bücher, landete erst auf meinem Wunschzettel und dann unterm Weihnachtsbaum, und dann im Regal, und da blieb es dann für das nächstes Dutzend Jahre.

Mehrmals unternahm ich in der Zeit Versuche, das Buch zu lesen, aber ich kam nicht richtig rein und gab nach wenigen Seiten wieder auf. In der Zwischenzeit ging mir das Lesen dann ganz verloren, der Stapel ungelesener Bücher wuchs und wuchs, und als ich dann im letzten Jahr wieder mit dem Lesen anfing, war Swamplandia! ziemlich weit nach hinten auf meiner Leseliste gewandert. Aber jetzt, als ich mein Belletristik-Regal auf- und umräumte, um endlich Platz über die in den letzten Jahren hinzugekommenen Bücher zu schaffen, bekam ich Lust, wieder mal etwas anderes zu lesen als immer nur Fantasy, und ich nahm mir Swamplandia! vor, um ein bisschen Abwechlung reinzubringen und das Buch endlich mal zu Ende zu lesen.

Und das habe ich auch getan, mit Unterbrechung – ich habe The Cut Direct dazwischgeschoben – und mir am Ende tatsächlich gewünscht, lieber etwas anderes gelesen zu haben.… Weiterlesen “Karen Russell: Swamplandia!”

bookmark_borderPhoebe Atwood Taylor: The Cut Direct

Das Wiedersehen mit alten Lieblingsbüchern kann ganz schön nach hinten losgehen, wenn man feststellen muss, dass sie nicht so gut gealtert sind wie man selbst. So war ich letztes Jahr nach der Lektüre von Phoebe Atwood Taylors Kriminalroman Beginning with a Bash, dem Auftakt der Krimireihe um Shakespeare-Doppelgänger Leonidas Witherall, wenig begeistert – das Buch erschien mir bei allem Witz als wenig spannend, rassistisch und misogyn, und auch wenn ich eigentlich die ganze ehedem geliebte Reihe nochmal lesen wollte, hat es ein gutes Dreivierteljahr gedauert, bis ich mir den zweiten Band, The Cut Direct, vorgenommen habe. Der war nämlich ein absoluter Lieblingsroman von mir, und um so höher erschien mir dessen Fallhöhe.

Um 1992 herum habe ich das Buch, in seiner deutschen Übersetzung Wie ein Stich durchs Herz in Dumont’s Criminal-Bibliothek erschienen, zum ersten Mal gelesen, und ich war so begeistert wie nur was. Es war lustig! Es hatte Shakespeare! Es war ein Krimi! Und so verschenkte ich das Buch nicht nur, ich las es auch in Gänze vor, erst meiner Schwester, später meiner besten Freundin, die mir im Gegenzug den Herrn der Ringe vorlas – und noch heute, mehr als dreißig Jahre später, zitieren mein Mann und ich immer noch gerne markante Sätze aus dem Buch, angefangen mit dem gebetsmühlenartig vorgetragenen »Die ganze verdammte Gesellschaft ist unfair zu Stanton Kaye! Die ganze verdammte Gesellschaft wird nur von Handtaschen regiert!«, wann immer sich eine Gelegenheit dazu bietet.

Jetzt habe ich das Buch also nochmal gelesen, zum ersten Mal in der englischen Originalfassung.… Weiterlesen “Phoebe Atwood Taylor: The Cut Direct”

bookmark_borderLeigh Bardugo: Shadow and Bone

Manchmal muss man viel Anlauf nehmen, nur um ein einziges Buch zu lesen. In meinem Fall ist es das Buch Six of Crows von Leigh Bardugo, das ich 2016 zum Geburtstag bekommen habe, postenwendend angefangen zu lesen – nur, um dann festzustellen, dass es sich um die zweite Geschichte handelt, die in dieser Welt angesiedelt ist, und dass ich, um das Ganze wirklich genießen zu können, erst einmal die davor angesiedelte Grisha-Trilogie lesen sollte. Flugs kaufte ich mir alle drei Bände, fing an zu lesen, aber es wollte mich nicht so recht packen, es sah aus wie viel, viel Arbeit, dafür, dass ich ja eigentlich ein ganz anderes Buch lesen wollte, und so kam ich die ersten fünfzig Seiten von Shadow and Bone nicht hinaus.

Letztes Jahr wollte ich mich dann endlich dransetzen – allein, das Buch war nirgends aufzufinden, im Regal klaffte eine Lücke, und das letzte, woran ich mich erinnerte, war, dass ich die Grisha-Bücher meinem Mann zu lesen gegeben hatte. Aber bei dem war das Buch auch nicht erst, als ich mich in diesem Jahr dran machte, das Chaos in unserem Haus in Angriff zu nehmen und mich ans große Aufräumen machte, tauchte Shadow and Bone wieder auf, völlig eingestaubt auf dem Fußboden am Grund eines Bücherstapels. Ja, ich schäme mich, dass es so weit kommen konnte, aber jetzt sieht das Zimmer wirklich viel besser aus, und bevor das Buch noch einmal verschwinden konnte, habe ich Nägel mit Köpfen gemacht und es endlich gelesen. Und ich muss gestehen, ich hatte mir etwas mehr davon erwartet.… Weiterlesen “Leigh Bardugo: Shadow and Bone”

bookmark_borderT. Kingfisher: A House With Good Bones

Über die amerikanische Autorin T. Kingfisher hatte ich bislang nur Gutes gehört, aber noch nie etwas von ihr gelesen. Um so mehr habe ich mich gefreut, von einer befreundeten Autorin aus dem Tintenzirkel-Forum das Buch A House With Good Bones von meiner Wunschliste geschenkt bekommen zu haben, und weil mich Cover und Klappentext wirklich sehr angesprochen haben, ist es nach ganz oben auf meinen Stapel Ungelesener Bücher gewandert und wurde das zweite Buch, das ich mir dieses Jahr vorgenommen habe.

Da kommt Sam Montgomery nach über einem Jahr wieder zum Haus ihrer Mutter in South Carolina – die archäologische Ausgrabung, auf der die Entomologin in menschlichem Müll nach Käferhülsen suchen sollte und daraus ableiten, was die Menschen früher gegessen haben, wurde gestoppt, nachdem menschliche Überreste gefunden wurden, und weil sie ihre Wohnung in Arizone inzwischen untervermietet hatte, quartiert sie sich für einen guten Monat bei ihrer Mutter ein. Der große Bruder hat sie schon gewarnt, dass mit Mutter etwas nicht stimmt – doch ist Sam entsetzt, was für ein Bild sich in dem Haus, das früher der Großmutter gehört hat, bietet – und da ist der Rabengeier auf dem Briefkasten noch das harmloseste Omen.

Innen herrschen nicht mehr die bunten Farben, mit denen ihre Mutter das geerbte Haus gestrichen hatte, sondern, wie zu Großmutters Zeiten, beige und eierschal. Selbst ein von sowohl Mutter als auch Tochter verhasstes, konföderierte Soldaten glorifizerendes Gemälde hängt wieder an der Wand, und die liberal-säkuläre Mutter besteht plötzlich darauf, vor den Mahlzeiten zu beten … Sams Mutter ist abgemagert, ängstlich besorgt, es jedem recht zu machen, aber nicht wie völlig ausgetauscht: Sie schaut immer noch weintrinkend mit ihrer Tochter britische Krimiserien, sie hat ihren Humor nicht verloren, aber sie lässt kein Wort auf ihre verstorbene Mutter kommen, und nach und nach kriecht das Übernatürliche in den Alltag an der Lammergeier Lane …

Und schon nach den ersten paar Seiten verstand ich, wo all die Empfehlungen für diese Autorin herkamen: Lebhaft, authentisch, sprachlich fein geschrieben, ohne Längen, die Hintergrundinfos wohlverpackt, machte dieses Buch einfach Freude, und auch wenn mein Zeitplan meinte, dass ich die etwas über 300 Seiten in fünf Tagen durcharbeiten sollte, habe ich es stattdessen innerhalb von weniger als vierundzwanzig Stunden regelrecht inhaliert.… Weiterlesen “T. Kingfisher: A House With Good Bones”