Ich mag Feen. Wirklich. Schon immer. Als Jugendliche durfte ich das nicht zugeben, weil das zu mädchenhaft war und mir darum genauso verhasst wie rosa und Prinzessinnen, und als ich mich in diese zauberhaften kleinen »Flower Fairy«-Puppen verliebte und nicht widerstehen konnte, sie mir zu kaufen, habe ich sie schnell meiner Schwester geschenkt, ehe jemand auf dumme Gedanken kam. Aber jetzt bin ich groß und stehe über den Dingen, und ich darf sagen, ich mag Feen. Ich mag sie mehr als Vampire, weil sie vielseitiger sind, und ich mag sie mehr als Engel, weil ihnen Gut und Böse egal sein können. Im letzten Winter habe ich ein Feen-Buch geschrieben, Geigenzauber, das gerade auf Verlagssuche ist, und ich schreibe gerade an einem Feen-Buch, Das Haus der Puppen, um direkt einen Nachfolger in der Hinterhand zu haben. Nur gelesen habe ich noch kein Feen-Buch, wenn man von den Regelwerken des Rollenspiels Changeling – the Dreaming mal absieht. Als ich also im wilden Kaufrausch auf eine Reihe mit Namen The Iron Fey stieß, gab es kein Halten mehr, und ich habe mir den ersten Band nicht nur bestellt, sondern ihn auch noch gleich gelesen.
Wie schon bei The Summoning muss ich erwähnen, dass ich ein Neuling im Gebiet des romantischen Fantasybuchs für Mädchen bin, da ich zeitlebens um Romantik einen Bogen gemacht habe – zu mädchenhaft, siehe oben – aber anders als bei erstgenanntem Buch, das doch mehr Mystery ist als Romanze, schlägt hier das phantastische Mädchen-trifft-höheres-Wesen voll durch. Also nur ein weiterer Twilight-Klon? Das kann ich nicht beurteilen, habe ich doch die Vorlage nicht gelesen, aber ich fürchte mal, es könnte so ähnlich sein. Aber ob das nun ein unsterblicher, dreihundertjähriger Vampir ist (das Alter ist geraten, was weiß ich schon über Edward?) oder ein unsterblicher, altersloser Fee ist, der niemals sterblich war und für den Fragen nach Gut, Böse oder Moral nicht zählen, macht dann doch einen Unterschied – wenn nicht für das Mädchen, dann doch für mich. Edward kann mir mal den Puckel runterrutschen. Aber bei Ash, ich hasse es, das zugeben zu müssen, schmelze selbst ich dahin.
Wäre ich nicht über die englische, sondern die deutsche Ausgabe des Buches gestolpert, ich hätte sie keines zweiten Blickes gewürdigt. Da ist der flapsige Reihentitel Plötzlich Fee, und dem Cover fehlt das Kühle, Edle der amerikanischen Ausgabe, dafür gibt es knallbunten Lidschatten und Strasssteine auf den Wimpern, und das passt weder zu mir, noch zu Meghan, der Heldin. Die trägt nämlich am liebsten – oder auch nur mangels Alternativen, denn sie wächst auf einer Schweinefarm auf – Schlabber-T-Shirts, Latzhosen und den üblichen Geek-Kram. Ihr Vater ist rätselhaft verschwunden, sie schwärmt für das fieseste Football-Arschloch, das man sich vorstellen kann, und nur ihr alter Kumpel Robbie Goodfell hält zu ihr, als sich alle Welt gegen sie verschworen hat –
Und da geht der Ärger für mich los. Robbie Goodfell. Jedem, der auch nur halbwegs seinen Sommernachtstraum kennt, geht hier sofort auf: Das ist natürlich Robin Goodfellow aka. Puck. Meghan, die das Stück im siebten Schuljahr gelesen hat, fällt natürlich aus allen Wolken. Sie soll ein cleveres Mädchen sein, aber das ist ihr nie aufgefallen? Und ist Puck nicht eine Nummer zu groß für so ein Jugendbuch? Aber nein, Autorin Kagawa schöpft aus den Vollen. Warum kleckern, wenn man klotzen kann? Wir haben Puck, Oberon, Titania, Königin Mab – über weite Teile liest sich das Buch wie ein Feen-Who-is-Who. Und damit nicht genug, schmeißt sie auch alles, was als Fee nicht bei drei auf den Bäumen war, mit in den Topf. Auf weniger als fünfzig Seiten wird Meghan von einem Kelpie erschreckt, von Goblins entführt, von der Wilden Jagd gejagt, von einem Einhorn geheilt, und dann sind da noch die Pixies und Nixies, dass ich das Buch am liebsten in die Ecke gepfeffert hätte.
Bis zur Mitte des Buches hat man das Gefühl, Kagawa reiht nur Versatzstücke aneinander, ohne auch nur eine eigene Idee zu haben. Vielleicht macht es Spaß, ihre Vorbilder zu erraten – ich erkenne Motive und Zitate aus dem Film Labyrinth, The Last Unicorn, Neil Gaimans Stardust, dem erwähnten Midsummer Night’s Dream, und man kann vermuten, dass Kagawa wie ich Changelig gespielt hat. Manchmal greift sie daneben, wenn sie zum Beispiel Oberon mit dem Erlkönig gleichsetzt – zwei völlig verschiedene Mythologien, die man nicht einfach so vermischen kann, und wenn doch, wäre der Erlkönig ganz sicher nicht ein seelie Fay, sondern unseelie – oder Tír na nÓg, das Land der Ewigen Jugend, zum Land des Ewigen Eises macht – und meistens ist das einfach alles zu viel.
Ich würde der Autorin gerne sagen, dass man im Leben mehr als ein Buch schreiben darf und nicht gleich alles in einem verheizen muss, aber man merkt doch immer wieder, dass ihr noch die Erfahrung fehlt. Da gibt es Plotlücken und klassische Scriptgirlfehler, die gute Betaleser eigentlich hätten finden müssen, wenn es schon dem Lektor und der Agentin nicht auffällt – zum Teil nur Kleinigkeiten wie ‘Er hat mich noch nie zuvor Meghan genannt’, wenn er genau das schon vor anderthalb Seiten getan hat, und zum Teil dickere Hunde, wie dass Puck offenbar vergisst, dass er sich in Tiere verwandeln kann, selbst wenn sein Leben davon abhängt, oder warum Meghan es in fünfundzwanzig Kapitel nicht schafft, Ash zu fragen, was genau er auf dem Pferd vor ihrem Elternhaus zu suchen hatte. Wahrscheinlich hätte er geantwortet, dass er das gar nicht war, und dann hätte sich viel zu früh herausgestellt, dass er Doppelgänger hat – und dass die dann auch noch Quintus und Tertius heißen, ist noch schamloser abgekupfert als Grimalkin, die Katze, die eine Mischung aus der Chechire Cat und der Katze aus König Haggards Schloss ist – aber was den Plot gefährdet, muss man als Autor auflösen, nicht unter den Teppich kehren und hoffen, dass es niemand merkt.
Warum habe ich dann trotzdem weitergelesen, sogar den zweiten Band bestellt? Ich hasse es, das sagen zu müssen, aber es ist nur wegen Ash. Ash, nicht wie die Asche, aber wie die Esche, jüngster Sohn von Königin Mab vom Unseelie Court, ist letztlich nur das Abziehbild eines kalten, arroganten, aber bildschönen Schnösels. Nichts an ihm ist irgendwie besonders, anstelle charakterlicher Tiefe gibt es nur weitere Klischees und ein paar Tropfen Tragik, aber hach, er ist ein Fee! Er trägt Schwarz! Er hat silberne Augen! Er ist ein Arschloch! Bisher konnte ich meine Schwäche für solche Typen erfolgreich vor diesem Blog verbergen, aber irgendwann musste es ja rauskommen. Ich vermute mal, es bilden sich in den Fangirlkreisen verfeindete Lager, Team Puck und Team Ash – dann wäre ich jetzt wohl Team Ash. Dabei bin ich Mitte Dreißig, weit jenseits des Alters der Zielgruppe, und zu intelligent, um ein Abziehbild anzusabbern. Nun gut, jeder braucht auch eine persönliche Schwäche.
Ein paar eigene Ideen stecken dann natürlich doch in der Geschichte. Da ist der Eiserne Hof, in sich schon ein Widerspruch, weil Eisen das Kryptonit der Feen ist, da sind ein paar nette Szenen, und grundsätzlich kann man sagen, dass die Teile der Geschichte, die in unserer Welt spielen, deutlich gelungener scheinen als das, was im Feenland spielt. Am Ende war ich dann doch gut unterhalten, und ich hoffe, nachdem sie eimerweise Feen-Trivia über mir ausgelehrt hat, kann Kagawa sich im nächsten Buch auf ihre eigene Geschichte konzentrieren und muss nicht mehr nur noch Mythologie nacherzählen. Aber ich bin vorsichtig. Auch wenn die Reihe mit vier Büchern abgeschlossen ist, habe ich doch erstmal nur die direkte Fortsetzung bestellt und Band drei und vier erstmal nur vorgemerkt – ich gebe ihr die Chance, aber ganz überzeugt hat sie mich noch nicht. Und da hilft dann auch kein Ash. Hoffe ich.