Lena Jeong: And Break the Pretty Kings

Entgegen meinen guten Vorsätzen zum Jahresbeginn habe ich dann doch nicht für jedes Buch, das ich gelesen habe, auch eine Rezension verfasst. Einmal war das mit Absicht: Es handelte sich um das Buch einer deutschen Autorin, das mich leider überhaupt nicht überzeugen konnte, und ich habe mich gegen eine Rezension entschieden, weil ich nicht die Autorin sein will, die über ihre direkten Konkurrenten herzieht. Sonst rezensiere ich ja überwiegend ältere Sachen oder Titel, die es überhaupt nicht auf Deutsch gibt, oder eine Kombination aus beidem – da habe ich kein Problem damit, auch mal sehr kritisch zu rezensieren: Da hat meine Rezi letztlich keine Auswirkungen auf den Buchmarkt, und niemand kann mir unterstellen, damit meine eigenen Verkäufe pushen zu wollen.

Drei Bücher habe ich schlichtweg nicht besprochen, weil ich im Herbst einen Durchhänger hatte, und als ich dann im Dezember wieder mit dem Rezensieren angefangen habe, war die Lektüre schon so lange her, dass ich mich nicht an jedes Detail erinnern konnte. Und aus dem gleichen Grund habe ich lange überlegt, ob ich dieses Buch, das letzte, das ich 2024 beendet habe, rezensieren will. Denn den Großteil des Buch, alles bis auf die letzten hundert Seiten, habe ich nicht im Dezember gelesen, sondern schon im Mai. Es hatte mich nicht genug gepackt, um es in einem Rutsch zu Ende zu lesen, aber als das Jahr sich gen Ende neigte und ich meine fünfzig Bücher noch nicht voll hatte, war ich froh, ein Buch zu haben, das ich in nur zwei Tagen fertig lesen konnte. Und jetzt stehe ich hier mit Lena Jeongs And Break the Pretty Kings und weiß nicht so recht, was ich damit machen soll.

Mirae ist die Kronprinzessin von Seolla, einem Königinnenreich, in dem Männer nicht viel zu melden haben. Es ist ihnen verboten, Magie zu wirken, und man traut ihnen auch nicht zu, ein Heer zu führen oder über das Land zu reagieren – alles nur, weil vor Generationen einmal ein einziger Mann, von seiner Magie korrumpiert, einen Bürgerkrieg vom Zaun gebrochen hat. Dieser, genannt der Unbeständige Sohn, wird seither mit Magie gefangengehalten – zumindest habe ich mir das so zusammengereimt, denn vieles ist mir bei der Lektüre des Buches, das auf verschiedenen Zeitebenen spielt, nicht ganz klar geworden, und zum Teil ist es Monate her, dass ich den entsprechenden Teil gelesen habe. Hier bitte ich um ein bisschen Nachsicht – legt es im Zweifelsfall nicht gegen das Buch aus!

Mirae, jedenfalls, soll ihrer Mutter auf den Thron folgen, und das, obwohl sie eigentlich noch nicht so weit ist: Ihre Mutter hat den Verstand verloren, soll entmachtet werden, und es ist an Mirae, zu beweisen, dass sie die drei verschiedenen Arten der Magie gemeistert hat, um zur Regentin ernannt zu werden. Aber dreifache Magie ist ganz schön viel, und auch wenn sie ihr Bestes gibt bei der zeremoniellen Prüfung, kann sie nicht verhindern, dass an diesem Tag die Katastrophe über Seolla hereinbricht, ein altes Übel, über das niemand jemals spricht, sich erhebt, und der ältere von Miraes Brüdern, Minho, verschleppt wird. Zusammen mit dem jüngeren Bruder Hongbin, der Heerführerin Jia und dem Diener Siwon macht sich Mirae auf den Weg ins benachbarte Vasallenkönigreich Josan, um den geliebten Bruder zu retten. Aber in Josan ist jede Art von Magie verboten, der Herrscher kein Fan von Seolla, und Minhos Zeit droht abzulaufen, bevor sie ihn erreicht haben …

Das Buch ist der Auftakt eines Mehrteilers. Der zweite Band, The Witch of Wol Sin Lake, ist im Oktober erschienen, und ich weiß nicht, ob die Geschichte damit abgeschlossen ist oder ob noch weitere Bände folgen. Wegen des langamen Erzähltempos hatte ich schon früh vermutet, dass And Break the Pretty Kings offen oder gar mit einem Cliffhänger enden würde, und genau das ist eingetreten. Das ist per se nichts schlechtes. Wichtiger ist, dass der Schluss, Ciffhänger oder nicht, stimmig ist und zum Buch passt, und hier hat er mich mehr überzeugt als weite Teile des Buches. Aber wer nach etwas sucht, das in einem Band abgeschlossen ist, der wird an diesem Buch weniger Freude haben. Man muss den zweiten Band lesen, um zu einem befriedigenden Ende zu kommen, und ich denke, das werde ich hier auch tun, auf die Dauer.

Das Setting von And Break the Pretty Kings ist inspiriert von der koreanischen Mythologie und den historischen Drei Königreichen, und da stehe ich nun und muss zugeben, dass ich darüber wirklich gar nichts weiß. Da hatte ich bis jetzt keinerlei Berührungspunkte, und hätte ich nicht auch dieses Buch aus der Locked Library gezogen, es wäre wahrscheinlich nie auf meiner Leseliste gelandet. So stand ich vor vielem in diesem Buch wie der Ochs vorm Berg. Mit Glück weiß ich noch, was ein Hanbok ist, aber es kommen so viele koreanische Begriffe vor, die ich nicht verstanden habe, dass ich meine in diesen Themen bewanderte beste Freundin um Rat fragen musste.

So wird z.B. immer wieder auf einen Gumiho angespielt – von dem ich einfach noch nie gehört hatte. Dass es ein Fuchsdämon ist, half mir dann ein bisschen weiter – aber die meisten koreanischen Begriffe, habe ich dann nicht extern nachgeschlagen, um den Lesefluss nicht zu stören, und weiß am Ende jetzt nur unwesentlich mehr über diese Mythologie als früher, weil das Buch einfach voraussetzt, dass man etwas damit anfangen kann. Bis zum Ende habe ich mir einen Index gewünscht, der mir die fremden Dinge erklärt – bis ich das Nachwort gelesen habe und verstanden: Lena Jeong, Amerikanerin mit koreanischen Wurzeln, hat dieses Buch nicht für mich geschrieben. Es ist ein Buch für Menschen wie sie, koreanische Amerikaner, die sich danach sehnen, auch einmal in Büchern repräsentiert zu werden.

Bücher über Leute wie mich, milchbrötchenweiße Europäer, gibt es zuhauf. Und doch war ich ein bisschen traurig, dass Jeong mir die Tür nicht ein bisschen weiter geöffnet hätte, mir in meiner Unwissenheit ein bisschen entgegengekommen wäre, mich ein bisschen an die Hand genommen und mich in ihre Welt mitgenommen hätte, statt mich hineinzuschmeißen und mir nichts zu erklären. Aber das ist kein Problem des Buches, das ist meiner eigenen Ignoranz geschuldet, dass ich zwar über Jahre hinweg viele Anime und Manga konsumiert habe und mich einigermaßen firm fühle in japanischer Mythologie, Geschichte und Kultur, aber über die koreanische Halbinsel nur das weiß, was man in den Nachrichten liest.

So kann ich jetzt auch nicht beurteilen, wie authentisch Jeong die Kultur ihrer Vorfahren für die Welt von Seolla adaptiert hat. Es ist immer noch ein Fantasyroman, der in einem erfunden Land spielt, nicht im alten Korea, und da sind ihr Freiheiten erlaubt – und so bin ich über Kleinigkeiten gestolpert, die dem bisschen, was ich über ostasiatische Mythologie und Philosophie weiß, widersprachen. So praktizieren die Jadehexen Elementarmagie – die aber an die westlichen vier Elemente Feuer, Wasser, Luft und Erde angelehnt ist und nicht an die ostasiatischen fünf Elemente. Aber auch hier liegt es wahrscheinlicher an meinem eigenen Halbwissen als an einer Nachlässigkeit Jeongs. Ich denke, jemand, der sich mit koreanischer Mythologie befasst hat, vielleicht den einen oder anderen Manhwa gelesen, von And Break the Pretty Kings mehr haben könnte als ich.

Und doch habe ich ein schönes Buch gelesen. Ich hatte Spaß an der Geschichte, ich mochte die Figuren, und ich bin gut unterhalten worden. Mit mehr Vorwissen hätte ich nur mehr daraus mitnehmen können, und ich muss gestehen, dass mich das Buch jetzt nicht so sehr angefixt hat, tiefer in die Thematik einzutauchen – abgesehen davon, dass ich durchaus Luft auf den zweiten Band habe, wenn ich meinem SuB ein bisschen zu Leibe gerückt bin. Es war jetzt nicht mein absolutes Lesehighlight des Jahres, diese Ehre gebührt, denke ich, Piranesi – und auch wenn mich vieles an And Break the Pretty Kings gefallen hat, gab es doch ein paar störende, unlogische Elemente.

Für das, was mir am meisten aufgestoßen ist, muss ich ein bisschen spoilern. Nicht sehr, das, um was es geht, passiert realitiv früh im Roman: So erfährt Mirae bei ihrer letzten Prüfung, dass sie eine der drei legendären Heldinnen des Landes ist, der Namenlose Drache, eine Zeitspringerin, von der bis dato niemand sagen konnte, aus welcher Epoche sie eigentlich gestammt hat. Offensichtlch hat sie schon vor Jahrhunderten große Heldentaten vollbracht. Bloß, Mirae bekommt nur die Gabe, in ihre eigene Zukunft zu springen – praktisch, um sich dort Rat zu holen, wie eine verzwickte Situation ausgegangen sein könnte, aber nicht allmächtig. Wie Mirea in der Vergangenheit gelandet sein könnte, wird, zumindest in diesem Band, nie thematisiert – und auch gar nicht mehr angesprochen, dass der Namenlose Drache doch eigentlich eine historische Figur ist. Mit ihrer Gegenwart und mit Blinzeln aus der Zukunft ist Mirae auch eigentlich ausgelastet.

Dann hat mich eine der Nebenfiguren genervt. Miraes jüngerer Brunder Hongbin ist schwul, aber das offenbar im Hauptberuf, denn er redet ausnahmslos von seinen Verehrern, bis man es wirklich nicht mehr hören mag. Schön, dass es in Seolla gelebte Diversität gibt, aber ich hätte mir gewünscht, dass das auf andere Weise thematisiert würde, mit ein vielschichtiger ausgearbeiteten Figuren und vielleicht einer Romanze, die sich nicht nur darauf beschränkt, dass Hongbin aufzählt, wen er alles gerne heiraten würde. Ich freue mich ja sonst immer über queere Themen, aber hier fand ich das schon irgendwie suboptimal gelöst.

Und dann – der dramatische Showdown. Der hatte seine wirklich netten Elemente, aber unterm Strich war er zu lang, hat zu viel wiederholt und sich dann im Kreis gedreht, und das war schade. Da hätte man mit weniger mehr rausholen können. So hat es mich an Endloskämpfe aus diversen Anime erinnert, und ich war froh, als er vorbei war. Das, was danach dann noch kam, hat das Buch für mich wieder rausgerissen (keine Spoiler mehr!). Und so ende ich dann doch mit einer Leseempfehlung – mit der Einschränkung, dass ich nicht weiß, wie gut oder nicht der zweite Band gelungen ist und ob danach noch etwas kommt. Schließlich erwartet Mirae, das haben ihre Zeitsprünge gezeigt, noch eine epische Zukunft.

Mich hingegen erwartet das Jahr 2025. Mit hoffentlich noch mehr Büchern und Rezensionen.

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