bookmark_borderNeal Shusterman: Scythe

In den letzten Wochen habe ich gelesen, als wären meine Bücher Matrjoschkas, russische Puppen-in-der-Puppe: Ich habe eines angefangen, bis zu einer gewissen Stelle gelesen, das nächste angefangen, bis zu einer gewissen Stelle gelesen, und dann das nächste angefangen, bis mir buchstäblich die Lesezeichen ausgegangen sind vor angelesenen Büchern. Nur das letzte habe ich, im Verlauf einer guten Woche, dann tatsächlich am Stück gelesen, ohne mich mit anderen Büchern zu unterbrechen, und wenn ein Buch meinen derzeit so wankelmütigen Verstand derart mit Beschlag belegen kann, dann wird das wohl ein spannendes Buch gewesen sein. Und das ist das Mindeste, was ich über Neal Shustermans Scythe sagen kann: Es ist fesselnd geschrieben und lässt sich, trotz einer Länge von rund 450 Seiten, gut und schnell lesen.

Tatsächlich kann ich noch mehr positive Sachen über dieses Buch sagen, und auch wenn ich zwischendurch Momente hatte, während derer ich es beherzt gegen die Wand schmeißen wollte, hat es am Ende die Kurve bekommen, und das gut genug, dass ich jetzt auch den zweiten Band der Trilogie lesen möchte. Nicht unbedingt sofort – vorher will ich all die angebissenen Bücher zu Ende lesen, die sich neben meinem Bett stapeln und bei denen mir oft nur noch hundert Seiten fehlen. Aber dann, wenn ich mir wieder erlaube, neue Bücher zu kaufen, will ich nach vielen Reihen, die mich nicht überzeugen konnten, endlich mal wieder einen Mehrteiler weiterlesen.

Scythe – das auf Deutsch unter dem Titel Scythe – die Hüter des Todes – erschienen ist, ist ein Jugendroman, der tückischerweise so tut, als würde er sich um eine Utopie handeln, in Wirklichkeit aber zutiefst dystopisch daherkommt.… Weiterlesen “Neal Shusterman: Scythe”

bookmark_borderSunyi Dean: The Book Eaters

In meiner Jugend habe ich Bücher buchstäblich verschlungen. Dass ich bei einem Appetit von bis zu drei Büchern am Tag nicht in die Beschaffungskriminalität abgerutscht bin, verdanke ich allein meiner Stadtbücherei, die mich großzügig mit Lesestoff versorgt hat. Heute lese ich, nach langer Pause, wieder regelmäßig, aber an die alten Zeiten kann ich nicht anknüpfen. Und auch dieses Buch, The Book Eaters, bei dem es im Wortsinn ums Bücherfressen geht, habe ich nicht verschlungen, sondern in kleinen, wohldosierten Häppchen zu mir genommen. Und auch wenn ich am Ende nicht enttäuscht von der Geschichte war, hatte ich mir letztlich doch mehr davon erwartet.

Erstmal klang es wie genau das Buch für mich, versprach mir eine queere Liebesgeschichte und Figuren, die ihren Hunger auf Bücher ernst nehmen, aber was ich dann bekommen habe, war mir nicht nur über weite Teile zu grausam, sondern machte vor allem für mich zu wenig aus dem Bücheressen an sich. Wer sich von Büchern ernährt, von Literatur und dem Wissen der Welt, sollte sich damit doch zu einer besonders aufgeschlossenen, empathischen Person entwickeln, ein innigeres Verhältnis zum Buch pflegen als diejenigen, die es einfach nur lesen und nicht in ihre Blutbahn aufnehmen – aber tatsächlich sind die Bücherfresser der unsympathischste Haufen, den man sich nur irgendwie vorstellen kann, rigide Hardliner und Frauenfeinde, die sich nichts von dem, was sie da verspeisen, irgendwie zu Herzen nehmen.

Vielleicht habe ich da zu viel erwartet. Wenn ich mir ein Butterbrot schmiere, pflege ich auch keine besonders enge Beziehung zu Getreide und Sauerteig, und wahrscheinlich macht es doch einen Unterschied, ob ich ein Buch lese, weil ich in die Geschichte verliebt bin, oder weil mein Stoffwechsel darauf angewiesen ist.… Weiterlesen “Sunyi Dean: The Book Eaters”

bookmark_borderMizuki Tsujimura: Lonely Castle in the Mirror

Seit Anfang des Jahres habe ich über dreißig Bücher gelesen, und die meisten von ihnen waren auf Englisch. Ich bevorzuge Bücher im Original gegenüber Übersetzungen, aber das funktioniert natürlich nur dann, wenn ich in der Lage bin, die Originalsprache zu verstehen, und das schränkt meinen Lesehorizont doch ziemlich ein. Es gibt so viel mehr Sprachen, in denen Bücher geschrieben werden als nur Deutsch und Englisch, und es ist gut, dass es Übersetzer:innen gibt, auch wenn immer noch der größte Teil dessen, was dann auf Deutsch erscheint, aus dem Englischen übersetzt wird, was ich auch so lesen kann. Aber Lonely Castle in the Mirror ist, trotz des englischen Titels, ein Buch auf Deutsch, und mit seiner Originalfassung wäre ich nicht weit gekommen – da heißt das Buch Kagami no Kojō, und Japanisch ist eine Sprache, in der ich wirklich keine Bücher lesen kann. Gesprochen verstehe ich tatsächlich drei Brocken, aus der Zeit, als ich wirklich viele Anime geschaut habe, aber mit drei Brocken kommt man nicht weit, erst recht, wenn man die Schrift nicht beherrscht.

Tatsächlich war das wohl der erste aus dem japanischen übersetzte Roman, den ich jemals gelesen habe. Vor gut zwanzig, fünfundzwanzig Jahren, als ich auch meine Anime-Phase hatte, habe ich auch eine Menge Manga konsumiert, aber eben noch keine Romane, noch nicht einmal einen Murakami, und nun war es an der Zeit, dieses Defizit anzugehen. Ich hätte Lonely Castle in the Mirror auch als Manga-Adaption lesen können, oder mir die Anime-Fassung anschauen, aber der Roman ist nicht das Buch zum Film, sondern die Vorlage für beides, und ohne wirklich zu wissen, was mich da erwartet, habe ich mir den Roman gekauft, der in der Übersetzung von Ruben Grest im Hayabusa Verlag erschienen ist.… Weiterlesen “Mizuki Tsujimura: Lonely Castle in the Mirror”

bookmark_borderRosamund Hodge: What Monstrous Gods

Üblicherweise, wenn meine monatliche Lieferung aus der »Locked Library« eintrifft, freue ich mich über ein besonders schönes Exemplar von Buch, mit ansprechendem Cover und bezauberndem Farbschnitt. Aber die Sendung aus dem März dieses Jahres stellte sich als herbe Enttäuschung heraus. So ein hässliches Buch hatte ich lang nicht mehr gesehen: Da prangte auf dunkelviolettem Cover eine einzelne schmutzig-gelbe Rose, und der Farbschnitt griff das gleiche Motiv auf. Und dazu sollte das Buch auch noch, das hatte ich dem Teaser auf Instagram entnommen, ein Trope bedienen, das gerade topmodern ist, mich aber überhaupt nicht anspricht: »Enemies to Lovers«, ausgerechnet.

Ich mag Bücher, in denen Feinde zu Geliebten werden, nur unwesentlich mehr als Bücher, in denen Geliebte zu Feinden werden; ich habe wenig Spaß daran, wenn zwei Leute sich seitenlang angiften und am Ende doch miteinander in der Kiste landen, und so wollte ich What Monstrous Gods schon ins Regal stellen und den März als Reinfall verbuchen – aber etwas aus dem Klappentext bewegte mich dann doch, das ach so unattraktive Buch eines zweiten Blickes zu würdigen. Die Heldin und ihr Love Interest sind nicht einfach nur verfeindet – sie hat ihn umgebracht, und jetzt ist es sein Geist, der ihr das Leben schwermacht und sich den Tod. So, wie das klang, war sie nicht irgendeine Jungfer in Nöten, sondern eine ausgebildete Attentäterin, und vielleicht war das Buch vielleicht doch wert, mal reinzulesen …

So kam es, dass ich, trotz meiner ersten Abneigung, What Monstrous Gods doch gelesen habe. Und es hat mir im Großen und Ganzen gefallen.… Weiterlesen “Rosamund Hodge: What Monstrous Gods”

bookmark_borderStephanie Garber: Caraval

Es gibt Bücher, da klingt der Klappentext, als wären sie direkt für mich geschrieben worden – und wenn ich sie dann lese, sind sie so überhaupt nicht meines. So ein Fall war Stephanie Garbers Caraval. Das hatte ich mir schon 2017 gekauft, als es brandneu am Markt war, und mich auch sofort an die Lektüre gemacht, obwohl ich in der Zeit praktisch nichts gelesen habe – und so schnell, wie ich die Lektüre begonnen hatte, habe ich sie auch schon wieder beendet. Ich fand das Buch einfach sprachlich schlecht, die Figuren waren mir unsympathisch, und so gern ich mich auch in die Geschichte verliebt hätte, hat sie mich regelrecht abgestoßen. Ich war enttäuscht, das Buch wanderte ins Regal zurück – aber weil 2024 das Jahr ist, in dem ich wieder lese und allem eine Chance gebe, habe ich mir auch Caraval noch einmal vorgenommen, und sei es, um es am Ende beherzt verreißen zu können. Aber jetzt, wo ich mit dem Buch durch bin, kann ich sagen, ganz so schlecht wie befürchtet fand ich es dann doch nicht.

Das Buch versprach mir ein Spiel um Leben und Tod, eine Schatzsuche auf einer Insel, die eine Mischung ist aus Kirmes und Zirkus, und das klang erstmal wie etwas, das mir wirklich gut gefallen sollte. Ich liebe ja alles, was mit Jahrmärkten, Freizeitparks, Spielshows und dergleichen zu tun hat, und so hoffte ich, hier auch auf meine Kosten zu kommen. Aber bevor wir da auch nur ankommen, gibt es ein großes Hindernis zu überwinden: Und damit meine ich nicht die Aussicht, dass Gouverneur Dragna seine beiden Töchter zu Tode prügelt, wenn sie versuchen, der heimatlichen Insel zu entkommen, sondern dass eben nicht nur Vater Dragna ein Unsympath sondergleichen ist, sondern alle anderen handelnden Figuren irgendwie auch, Protagonist:innen eingeschlossen.… Weiterlesen “Stephanie Garber: Caraval”

bookmark_borderLynette Noni: The Prison Healer

Bei den meisten Büchern kann ich relativ schnell abschätzen, ob sie mir gefallen oder nicht. Ich sehe, ob ich den Stil mag, in dem ein Buch geschrieben wurde, ob ich die Figuren mag oder, wenn sie überhaupt nicht als Sympathen angelegt sind, ob ich sie glaubwürdig und plausibel finde, ich fühle den Weltenbau oder dessen Abwesenheit, und ich sehe, wie der Plot konstruiert ist – meistens kann ich auf fünfundzwanzig Seiten doch schon einen guten Eindruck von einem Buch bekommen, und auch wenn sich an meinem endgültigen Urteil immer noch etwas ändern kann, wenn ich am Ende angekommen bin, ist die Tendenz doch üblicherweise klar. Ich liebe ein Buch, dann verzeihe ich ihm im schlimmsten Fall sogar einen vergeigten Schluss, oder ich liebe es nicht. Und dann gibt es Bücher, die gehen buchstäblich auf den letzten drei Metern über den Hai, und was ein Buch war, das ich eigentlich durchaus mochte, wird zu einem Ärgernis, dessen Fortsetzungen, die ich schon im Einkaufswagen liegen hatte, glatt wieder von der Liste gestrichen werden. So ein Buch war, leider, Lynette Nonis The Prison Healer.

Bis kurz vor dem Schluss mochte ich dieses Buch noch. Ich hatte Kritikpunkte, die ich mir für meine Rezension zurechtgelegt hatte, es gab ein paar wirklich merkwürdige Elemente im Buch, die mich immer wieder aus der Immersion rausrissen – aber ich hatte im Großen und Ganzen nichts an der Geschichte auszusetzen, und weil das Buch der Auftakt einer Trilogie ist, war ich darauf eingestellt, auch die bereits erschienene Bände zwei und drei zu lesen – und dann kam das Ende und verwandelte das Buch in ein Ärgernis und ließ mich vor der Frage stehen, wie ich damit umgehen soll.… Weiterlesen “Lynette Noni: The Prison Healer”

bookmark_borderJennifer Chambliss Bertman: Mr. Griswolds Bücherjagd – Das Spiel beginnt

Zu den Dingen, die ich für alle Zeit bereuen werde, gehört, dass ich keine Drei Fragezeichen-Autorin geworden bin. Ich war in meiner Kindheit ein großer Fan der Serie, und 2005 hatte ich die Chance meines Lebens, als eine befreundete Autorin aus dem Drei Fragezeichen-Team mir den Kontakt zur Redakteurin herstellte. Ich verfasste ein Exposé und drei Probekapitel für meinen ersten Fall, telefonierte mit der Redakteurin und hatte das Ganze fast in trockenen Tüchern, als ich – damals noch Vollzeit-Berufstätig – eine neue Stelle als Buchhändlerin bekam und eine Rückzieher machte, weil ich mir nicht zutraute, neben der Arbeit noch innerhalb von drei Monaten ein Romanmanuskript von 128 Seiten abzuliefern. Die Stelle verlor ich in der Probezeit, aber die Fragezeichen-Chance war vertan – und ich beiße mich immer noch in den Hintern deswegen.

In diesem Buch, das nie über die drei Leseprobe hinausgekommen ist, verfolgen die Drei Fragezeichen eine Spur, die ihren Anfang mit einer verschlüsselten Botschaft in einem Büchereibuch den Anfang nimmt. Ein anderer Fall, den ich schreiben wollte, drehte sich um eine neu aufgetauchte Poe-Handschrift, die aus einem verschlossenen Raum verschwindet. Und überhaupt hatte ich meinen bibliophilen Tendenzen und meinem Insiderwissen aus Buch- und Verlagswesen in meinen Plänen etwas zu großen Anteil eingeräumt, weswegen die Redakteurin am Telefon auch schon meinte, das müsse deutlich reduziert werden, damit es für die lesenden Kinder noch interessant bleibt. Und das, obwohl Bob in der Bibliothek jobt und ich, aus dem Bibliothekswesen kommend, da endlich wohlrecherchierten Realismus reinbringen konnte!

Hätte ich diese beiden Bücher wirklich geschrieben und veröffentlicht, ich hätte jetzt Jennifer Chambliss Bertman vorwerfen müssen, mir meine Ideen geklaut zu haben, so sehr hat mich Mr.Weiterlesen “Jennifer Chambliss Bertman: Mr. Griswolds Bücherjagd – Das Spiel beginnt”