bookmark_borderDashiell Hammett: The Maltese Falcon

Meine Noir-Phase begann, als ich vierzehn war. Da lief, gegen Ende des Jahres 1989, im Fernsehen der Film »Die Spur des Falken«, und auch wenn ich mir nicht einmal sicher war, ob ich den Film mochte, hat er mich maßgeblich geprägt. Ich las erst die Romanvorlage, Dashiell Hammetts Der Malteser Falke, und dann alles von Raymond Chandler, ich schrieb hartgesottene Kriminalparodien, und ich schaute mir alle Filme aus Hollywoods Schwarzer Serie an, die das deutsche Fernsehen hergab. Wo meine Mitschülerinnen für Tom Cruise schwärmten, las ich die Biographien von Peter Lorre und Humphrey Bogart, und ein bisschen kann ich sagen, dass ich erwachsen wurde, als ich eintauchte in eine Welt, in der niemand wirklich gut ist und alles nur in Grauschattierungen existierte.

Die Phase dauerte so zwei, drei Jahre, dann kehrte ich doch zum klassischen englischen Kriminalroman zurück. Aber so ganz habe ich das Thema doch nie abgeschüttelt. In meinen eigenen Geschichten tendiere ich immer noch zu Grauschattierungen gegenüber strahlenden Helden, und ich halte immer noch wirklich große Stücke auf den Malteser Falken in Film und Buch. Zuletzt habe ich es 2013 gelesen – dass ich den Film gesehen habe, ist etwas länger her – und jetzt war es wieder soweit: Ich bekam Lust auf den Stoff, lud mir das Buch im englischen Original auf mein Tablet, und habe es jetzt abgeschlossen – und wie mit vierzehn Jahren beim Erstkontakt kann ich auch fünfunddreißig Jahre später gar nicht mehr so genau sagen, ob es mir denn nun gefallen hat.

Bereut habe ich die Lektüre nicht.… Weiterlesen “Dashiell Hammett: The Maltese Falcon”

bookmark_borderSeanan McGuire: Every Heart a Doorway

Bedingt durch meine Rolle als Autor und Admin des dienstältesten deutschen Fantasyautor:innenforums, kenne ich eine ganze Reihe Autoren persönlich, und wenn ich nicht gerade starstruck vor Terry Pratchett stehe, habe ich da auch wenig Berührungsängste – ich bin unter Kollegen, und im Zweifelsfall lästert man gemeinsam über den Buchmarkt. Allerdings habe ich noch nicht so viel mit internationalen Erfolgsautoren zu tun gehabt. Neben der Begegnung mit Terry Pratchett war da sonst nur mein Treffen mit Seanan McGuire.

Ich hatte das große Vergnügen, Seanan persönlich zu treffen, als sie im Herbst 2014 als Special Guest auf der FilkContinental, einer deutschen Filk- Convention, war. Da ging es zwar primär um Musik – Filk-Musik eben – aber Seanan bot auch eine Fragestunde zum Thema Schreiben und Veröffentlichen an, und ich saß mit ihr auf dem Podium, um die Situation von Autoren in Deutschland zu beleuchten. Es war eine tolle Runde, sehr informativ, sehr lustig, und ich konnte gänzlich unvoreingenommen an das Treffen herangehen, weil ich noch nie etwas von Seanan McGuire gelesen hatte: Ich wusste natürlich, dass sie Autorin ist, aber nicht, dass sie eine New York Times-Bestsellerautorin ist, nicht, dass sie 2013 fünf Hugo-Nominierungen auf einmal abgegrabbelt hatte, und nicht, dass sie eine derartig bekannte Hausnummer ist.

Ich sah nur eine echt coole Autorin, die auch noch tolle Musik macht, und nahm mir vor, dringend einmal etwas von ihr zu lesen. Aber diese Convention fiel in die Zeit, in der ich kaum gelesen habe, und obwohl ich bald mehrere Bücher von ihr besaß, hat es bis jetzt gedauert, bis ich etwas von ihr gelesen habe: Nicht den Auftakt ihrer Fantasykrimi-Reihe October Daye, sondern den Auftakt ihrer Wayward Children-Reihe, Every Heart a Doorway.… Weiterlesen “Seanan McGuire: Every Heart a Doorway”

bookmark_borderVictoria Schwab: City of Ghosts

Zu den Geschichten, von denen ich gar nicht genug bekommen kann, gehören Geistergeschichten. Ich mag keinen blutrünstigen Horror, keine Monster, Seen von Blut oder heraushängendes Gedärm, aber mit einer netten, ruhigen Geistergeschichte bekommt man mich immer. Ich neige dazu, mich wirklich schnell zu gruseln, und dabei macht es keinen Unterschied, ob eine Geschichte für Kinder oder Erwachsene geschrieben wurde – tatsächlich stammen die Gruselgeschichten, die mich im Leben am meisten erschreckt haben, aus Kinderbüchern. Insofern hatte ich auch keine Bedenken, dass sich Victoria Schwabs City of Ghosts an Jugendliche richtet. Geister sind Geister, und zumindest ein bisschen würde ich mich schon gruseln … Aber auch wenn das Buch dann nicht unspannend war: Gegruselt habe ich mich an keiner Stelle davon. Und das ist enttäuschend.

Die Prämisse klingt da noch spannend: Seitdem Cassidy beinahe (oder mehr als nur beinahe) gestorben ist, kann sie Geister sehen und den Schleier durchqueren, der die Welt der Lebenden vom Jenseits oder zumindest von einer geisterhaften Zwischenwelt trennt. Dementsprechend ist Cass‘ bester Freund selbst ein Geist, an sie gebunden, seit er ihr bei ihrer Mehr-als-Nahtod-Erfahrung das Leben gerettet hat. Niemand außer ihr kann Jacob sehen, und auch wenn ihre Eltern glauben, dass die ungefähr zwölfjährige Tochter einen unsichtbaren Freund hat, ahnen sie nichts von Cassidys Fähigkeiten – dabei müssten sie es eigentlich besser wissen.

In der Past Midnight-Reihe von Mara Purnhagen, deren erste Bände ich vor Jahren auf diesem Blog rezensiert habe, hat die junge Protagonistin Eltern, die als Geisterjäger bzw. Spuk-Debunker arbeiten, und das gleiche gilt auch für die Heldin dieses Buches.… Weiterlesen “Victoria Schwab: City of Ghosts”

bookmark_borderSusanna Clarke: Piranesi

Normalerweise gebe ich nicht viel auf Buchempfehlungen. Zu hören, dass jemand aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis ein Buch toll fand, führt üblicherweise dazu, dass ich selbst Probleme habe, es zu lesen, zu voreingenommen bin ich durch die Erwartungshaltung, die plötzlich an der Lektüre ist: Wenn ich dieses Buch nicht mag, enttäusche ich dann nicht ganz furchtbar die Person, die es mir empfohlen hat? Ich mag es, derjenige zu sein, der ein Buch entdeckt, ich freue es, wenn jemand auf einen Tipp oder eine Rezension von mir ein Buch selbst lesen mag, aber umgekehrt funktioniert es nicht gut. Und doch: Als ich kürzlich das Fürimmerhaus las und im Lesezirkel meines Autorenforums davon erzählte, und mir daraufhin das Buch Piranesi empfohlen wurde (Lieblingsbuch, auch das noch!), habe ich keine Sekunde gezögert, es mir bestellt und, als es dann da war, postwendend gelesen. Und, was soll ich sagen – Lieblingsbuch trifft es.

Man kann sich fragen, ob Kai Meyer mit seinem Fürimmerhaus bei Susanna Clarkes Piranesi abgeschrieben hat, zu ähnlich klingen die Prämissen beider Bücher: Häuser, die in ihrer Ausdehnung kein Ende nehmen wollen, die endlosen Hallen und Gänge gesäumt von abertausenden Statuen, das ist schon sehr spezifisch, und das haben wir in beiden Büchern. Aber vom Zeitplan her kann es nicht hinkommen – Piranesi ist im September 2020 erschienen, das Fürimmerhaus ziemlich genau ein Jahr später, und wenn ich schaue, wie viel Vorlaufszeit ein Verlag braucht, ein Buch herauszugeben, und ein Autor, es zu schreiben, kann ich mir höchsten vorstellen, dass Meyer sich von einer Ankündigung von Piranesi hat inspirieren lassen, etwas ganz Eigenes aus der gleichen Idee zu machen.… Weiterlesen “Susanna Clarke: Piranesi”

bookmark_borderAllen Houston: Nightfall Gardens

Sagte ich in meiner Rezension zu Fürimmerhaus »Ein Haus kommt selten allein»? Hier kommt auch schon das nächste: ein durchaus spannender  Abenteuerroman für Kinder, in dem das gruselige, tagstäglich seine Form verändernde Haus in Sachen Spukfaktor nur hinter seinen drei Gärten zurücktreten muss. Nightfall Gardens von Allen Houston kommt als der Auftakt einer Trilogie daher – tatsächlich ist es aber nur ein Buch, das der selbstpublizierende Autor in drei Teilen veröffentlicht hat. So endet es nicht mit einem geschlossenen Handlungsbogen, auch nicht mit einem Cliffhänger, es hört einfach auf, und das ist ziemlich antiklimaktisch für ein ansonsten spannend geschriebenes Buch.

Die Geschwister Lily und Silas Blackwood tingeln mit ihren Eltern und einem Repertoire grottiger selbstgeschriebener Theaterstücke über die Provinzbühnen, immer auf der Flucht vor der Vergangenheit ihrer Familie, die sie in Form ihres Onkels dann natürlich trotzdem einholt. Dieser Jonquil besteht darauf, dass die Familie, zumindest aber Lily, auf den Stammsitz der Blackwoods zurückkehren, denn die Großmutter, die letzte Herrin von Nightfall Gardens, liegt im Sterben, und wenn ihr nicht eine weibliche Nachfahre nachfolgt, wird das Böse über die Welt hereinbrechen. Und weil das als Argument offenbar nicht ausreicht, kidnappt der Onkel prompt die Nichte, der Bruder reist als blinder Passagier mit, und so werden Lily und Silas, nicht ohne einen blutigen Zusammenstoß mit gewalttätigen Ziegenmenschen, die aus dem hauseigenen Labyrinth ausgekommen sind, nach Nightfall Gardens gebracht.

Dort trennen sich die Wege der ungleichen Geschwister dann auch schon wieder. Lily kommt ins Haus, um von ihrer sterbenden Großmutter noch im Schnellverfahren zu lernen, was es über den Widerstand gegen die großen Übel zu wissen gibt, während Silas dem Gärtner unterstellt wird und mit den hauseigenen Nebelreitern, deren Anführer Jonquil ist, im Nebengebäude untergebracht wird.… Weiterlesen “Allen Houston: Nightfall Gardens”

bookmark_borderKai Meyer: Fürimmerhaus

Kai Meyer ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten deutschsprachigen Fantasyautoren. Ich habe ihn schon live lesen gehört und war sehr beeindruckt von seiner mitreißenden, spannenden Art, aber ich habe tatsächlich noch nie einen Roman von ihm gelesen – bis ich die Prämisse von Fürimmerhaus sah und wusste, das ist ein Buch für mich: Eine Geschichte, die komplett in einem einzigen endlosen, wuchernden Gebäudekomplex spielt. Alessandra Reß hat für das Blog des Verlags Fischer Tor einen tollen Artikel über sogenannte »Fantasy Edifices« geschrieben, Gebäude, die ein eigenes Leben haben und in ihren Romanen die eigentlichen Hauptfiguren darstellen. Und weil ich genau so etwas liebe, war ihr Artikel für mich eine einzige Checkliste, für die ich die aufgeführten Bücher nach »Habe ich schon gelesen« und »Will ich unbedingt lesen« aufgeteilt habe – und so bin ich auch auf Meyers Fürimmerhaus gestoßen.

An dieser Stelle ist ein Disclaimer angebracht: Reß‘ Artikel führt auch einen Roman von mir auf, das Kinderbuch Unten, und damit bin ich jetzt in der Situation, ein noch ziemlich aktuelles Buch zu rezensieren, mit dem ich als Autorin selbst ein bisschen konkurriere. Wobei ich nicht denke, dass ich mich hier wirklich in einer Konkurrenzsituation befinde: Zum einen spreche ich eine deutlich jüngere Zielgruppe an als Meyer, dessen Buch sich an junge Erwachsene richtet, und auch inhaltlich haben die beiden Bücher bis auf das verbindende Element »Haus« nichts miteinander gemeinsam, zum anderen ist Kai Meyer ein etablierter Autor, der dem ein Buchblog mit einem Halbdutzend Leser am Tag ziemlich egal sein kann, und zum dritten soll das hier kein Verriss werden.… Weiterlesen “Kai Meyer: Fürimmerhaus”

bookmark_borderKiersten White: Hide

Wenn es ein Motiv gibt, auf das ich sofort anspringe, sind das verlassene Vergnügungsparks. Ich liebe sie in Computerspielen wie The Park, ich schaue immer wieder gern Fotogalerien aus dem Berliner Spreepark an und bedauere sehr, dass ich da nie an einer Führung teilgenommen habe (aber Berlin ist einfach weit weg von mir), und ich folge Youtube-Kanälen, die Urban Exploring in den Überresten lang vergangener Parks machen. Woher dieses Interesse kommt, kann ich nicht mal sagen – ich war im Leben dreimal im Phantasialand, und das war es dann auch schon an Freizeitparkbesuchen – aber ich liebe diese Mischung aus Vergnügen, Schauder und der Natur, die sich die Welt zurückerobert. Nur im Roman bin ich diesem Thema noch nicht begegnet, aber als ich in der Buchhandlung über das Buch Amazement Park gestolpert bin und gesehen habe, dass es in genau so einem verlassenen Park spielt, war mir klar, ich will das lesen.

Im englischen Original heißt das Buch einfach nur Hide, und ich muss zugeben, mit dem Titel hätte ich nicht so schnell zugegriffen wie bei dem deutschen, aber ich habe mir dann doch die englischsprachige Ausgabe bestellt, weil ich Bücher doch nach Möglichkeit in Originalsprache kaufe, und als es dann kam, habe ich, obwohl ich eigentlich schon ein anderes Buch angefangen hatte, sofort zu lesen angefangen. Und weil das Buch dann wirklich über alle Maßen spannend war, habe ich es innerhalb von drei Tagen ausgelesen. Beinahe wären es sogar nur zwei Tage geworden – Hide ist stellenweise so gruselig, dass ich es nicht aus der Hand legen wollte, aber gerade im hinteren Viertel hat es sich dann ausgegruselt, und so konnte ich gestern Abend dann doch noch andere Sachen tun, als nur zu lesen.… Weiterlesen “Kiersten White: Hide”