bookmark_borderMarianne Gordon: The Gilded Crown

Es ist lang her, dass ich meine letzte Rezension veröffentlicht habe – mehr als zwölf Jahre. Ebenfalls lang, wenn auch nicht ganz so lang, ist es her, dass ich das letzte Buch gelesen habe. Das hängt zusammen: Ohne die Aussicht, eine Rezension schreiben zu dürfen, fehlte mir meistens die Motivation, bei einem Buch, das mich nicht zu hundert Prozent in seinen Bann schlägt, bis zum Ende durchzuhalten. Aber ich dachte, als veröffentlichte Autorin – und das bin ich in der Zwischenzeit geworden – dürfte ich nicht mehr rezensieren. Mumpitz. Natürlich darf ich. Nicht hinterrücks und anonym die eigenen Kollegen schlechtmachen. Aber transparent und begründet loben und kritisieren. Und so bin ich wieder zurück mit Bibliophilis, nach nur zwölf Jahren Pause.

Was ich in den letzten Jahren unverändert getan habe, ist, Bücher zu kaufen. Schöne, interessante Bücher reizen mich wie eh und je, auch wenn ich kaum eines davon angefasst habe, nachdem es einmal im Regal stand. Seit dem letzten Februar bin ich Abonnent der Locked Library, einer britischen Überraschungs-Bücherbox, die mir jeden Monat ein schmuckes Buch liefert, komplett mit Farbschnitt, verziertem Einband und eingedrucktem Brief der Autor:innen. Ein Jahr lang habe ich diese Bücher bewundert, angegrabbelt, und in einem Stapel neben meinem Bett gesammelt – vieles davon hat mich auch von Klappentext her sehr angesprochen, aber gelesen habe ich keines von ihnen. Bis jetzt. Neues Jahr, neues Leben, neue gute Vorsätze.

Und auch wenn ich so neugierig auf das Buch war, das ich mir zum Wiedereinstieg ins Leserleben ausgesucht hatte, dass ich am liebsten noch im alten Jahr mit der Lektüre angefangen hätte, habe ich gewartet bis zum ersten Januar, ehe ich mich darüber hergemacht habe.… Weiterlesen “Marianne Gordon: The Gilded Crown”

bookmark_borderPaulo Coelho: Veronika beschließt zu sterben

Es gibt viele Bücher, die mir das Leben versüßt oder erleichert haben, aber nur von einem kann ich sagen, das es mir das Leben gerettet hat: Veronika beschließt zu sterben ist dieses Buch. Es war im Dezember 2000, als mein Leben in Trümmer ging. Dass ich wenige Tage später meine Arbeit verlieren sollte, wusste ich noch nicht, und als es dann geschah, war es bedeutungslos. Ich hatte meine Liebe verloren. Mein Freund verließ mich, einfach so, und ich brach zusammen. Ich konnte nicht mehr arbeiten. Am Nachmittag dieses Tages meldete ich mich krank und fuhr in die Stadt, um einen Psychiater aufzusuchen, der mein Leben retten sollte. Einen Termin hatte ich nicht. Die freundliche Sprechstundenhilfe: Im Moment ist hier alles voll, kommen Sie in zwei Stunden nochmal … Ich nickte dumpf. Zwei Stunden. Ich hatte keine Ahnung, wie ich die durchstehen sollte. Aber dann fuhr ich mit der U-Bahn weiter, zum Laden der Büchergilde Gutenberg. Was sollte mich besser aufmuntern als ein schönes Buch?

So kaufte ich Veronika. Der knatschgrüngelbe Umschlag gefiel mir nicht so gut, aber das Buch hatte man mir empfohlen, es war auch schon gerade von den Bestsellerlisten wieder runtergerutscht, und unter dem schützenden Papier fand sich ein wunderschöner verzierter Einband aus grüner Seide. Ich nahm das Buch und fuhr in die Innenstadt zurück Dann suchte ich eine Bank. Abgeschieden sollte sie sein. Ich wollte nicht in der Fußgängerzone sitzen und weinen. Hinter einer Seitenstraße fand ich das Kölner Opernhaus, der Platz davor verlassen bis auf ein paar Tauben und Bänke.… Weiterlesen “Paulo Coelho: Veronika beschließt zu sterben”

bookmark_borderCatherynne M. Valente: The Girl Who Circumnavigated Fairyland in a Ship of Her Own Making

Manchmal, in ganz besonders kostbaren Momenten, hat man ein schlechtes Gewissen für jedes Wort, um das eine Rezension länger ist als »Lies dieses Buch! Sofort!«, weil man so den Leser von der Lektüre dieses Kleinods abhalten könnte – da ist jede Sekunde zu viel, da muss der Leser sich sofort drauf stürzen wie ein Verhungernder auf ein Fischbrötchen und es dann mit jeder Zelle seines Körpers und Gehirns verschlingen, lesen und genießen. The Girl Who Circumnavigated Fairyland in a Ship of Her Own Making ist so ein phantastisch gutes Buch, und hier fühlt sich schon der Titel zu lang an, steht wie ein Hindernis zwischen Leser und Buch: Wieviel schneller könnte man sich doch darüber hermachen, wäre der Titel nur ein wenig kürzer! Und doch muss dieser lange Titel sein, und ist dieser lange Titel selbst schon ein Vorgeschmack auf das Innere des Buches, bild- und wortgewaltig und so schön, dass man davon weinen muss. Für mich gehört dieses Buch in eine Reihe mit einem meiner absoluten Lieblingsbücher, Alice’s Adventures in Wonderland, und es darf neben ihm stehen und muss sich nicht dahinter verstecken, so gut, so großartig ist es.

Alles an diesem Buch ist toll. Wie es in der Hand liegt, wie es sich anfühlt, der Schriftsatz, die wunderschönen Illustrationen… Noch bevor ich auch nur ein Wort gelesen hatte, hoffte ich, dass auch der Inhalt mitspielen würde: Dass ich ein neues Lieblingsbuch gefunden hatte. Und ich wurde nicht enttäuscht. The Girl Who Circumnavigated Fairyland in a Ship of Her Own Making hat einfach alles, und es ist für alle, für Kinder wie Erwachsene, für Romantiker und Satiriker, und es ist eines von der Sorte, die man ganz, ganz oft lesen kann.… Weiterlesen “Catherynne M. Valente: The Girl Who Circumnavigated Fairyland in a Ship of Her Own Making”

bookmark_borderMara Purnhagen: One Hundred Candles

Gerade weil mir der erste Band von Mara Purnhagens Geisterjägerreihe, Past Midnight, wirklich gut gefallen hatte und ich nach der letzten Enttäuschung wieder etwas echtes Grusel brauchte, hatte ich es eilig, nun auch das zweite Buch um Charlotte Silver und ihre geisterwiderlegenden Eltern zu lesen. Zweite Bände haben es ja immer besonders schwer, das weiß ich auch als Autorin: Sie müssen den Geist des ersten spüren lassen, den vertrauten Figuren neue Aspekte abgewinnen und eine Handlung haben, die nicht nur ein Abklatsch des ersten Teils ist, sondern neu und eigenständig und am besten nochmal viel besser als Band eins sein, damit man dann erst recht bereit ist, noch ein drittes, viertes, fünftes Buch zu lesen. Das gilt für Krimireihen um Seriendetektive ebenso wie für Geisterjäger, und da ich selbst gerade an einer Geisterjäger-Serie arbeite, war ich um so neugieriger zu sehen, wie das hier umgesetzt wurde. Man kann eine Reihe wirklich so fortführen, dass die Leser sehnsüchtig auf das nächste Abenteuer warten. Aber leider kann man auch völlig ins Klo greifen und sein Konzept vor der Zeit abschlachten. One Hundred Candles, interessanterweise, tut beides.

Gut an diesem Buch ist die Art, wie die Handlung fortgeführt wird, und der neue Geisterplot ist erfrischend anders als das, was im ersten Buch passiert ist. Gruselig, mit ein paar falschen Fährten und Dingen, die nicht so sind, wie sie scheinen, auch wenn ich das Ganze schnell durchschaut habe. Aber krankte Past Midnight schon an einem überhasteten Schluss, ist hier das Ende geeignet, die ganze Reihe zu ruinieren, und auch wenn ich den dritten Band noch nicht gelesen habe, kann ich mir nicht mehr vorstellen, dass danach noch weitere Bücher kommen können.… Weiterlesen “Mara Purnhagen: One Hundred Candles”

bookmark_borderDouglas Clegg: Isis

Für schön gemachte illustrierte Bücher hatte ich schon immer etwas übrig, und als ich im auf einer Webseite eine Illustration aus Isis sah, war ich so sehr davon angetan, dass ich mir gleich das ganze Buch dazu bestellt habe, ohne auch nur irgendetwas über den Inhalt zu wissen. Was dann kam, war ein schlankes Büchlein, Hardcover mit Schutzumschlag, »A Tale of the Supernatural«, und mit knapp über hundert Seiten war es dann auch schnell gelesen – nur um mich danach etwas ratlos stehen zu lassen, denn am Ende war an dem Buch zu wenig dran, um es vernünftig rezensieren zu können. Auf die Länge allein kann ich das nicht schieben, es gibt Novellen, die einem das Hirn wegblasen und über die man mehr Wörter verlieren kann, als in dem Buch selbst drinstehen. Aber die Geschichte von Iris, die zu Isis wird, in die Unterwelt hinabsteigt, um ihren Bruder von den Toten zu erwecken, und die am Ende mit einem unglücklichen Zombie dasteht, ist erstaunlich karg. Selten habe ich von einem Buch so wenig für mich mitnehmen können wie von diesem, und was am Ende bleibt, ist ein Reigen hübscher Illustrationen, die über die dünne Story nicht hinwegtäuschen mögen.

Dabei scheint das Buch auf den ersten Blick alles richtig zu machen. Das Setting ist ein geheimnisvolles Haus in anheimelnder Klippenlage in Cornwall, mit stehenden Steinen, versteinerten Maiden und einer Höhle, die man besser nicht betritt, in Reichweite. Der Gärtner murmelt düstere Weissagungen, die Toten werden erwachen, und eine vielversprechende Gruselgeschichte nimmt ihren Anfang.… Weiterlesen “Douglas Clegg: Isis”

bookmark_borderJohn Stephens: The Emerald Atlas

Dieses Buch kam ungeplant: Bei der Rückreise von einer Convention in New Jersey kamen wir früh – viel zu früh – am Flughafen Newark an, und erst nach dem Einckecken unseres Gepäcks ging mir auf, dass ich damit auch alle meine Bücher aufgegeben hatte, im Handgepäck war nur mein Laptop und das Schreibzeug. Doch jeder gutsortierte Flughafen hat eine Buchhandlung, die auf begrenztem, teuer bezahltem Raum zumindest die aktuellen Bestseller vorrätig hat. Eigentlich suchte ich nach einem handlichen Taschenbuch, aber statt dessen sprach mich ein hübscher Hardcover-Band an, mit smaragdgrünem Schutzumschlag und dem ansprechenden Titel The Emerald Atlas. Dazu klang der Klappentext nett, und überteuert erschien das Buch auch nicht: Also, es wurde gekauft, und da wir die nächsten drei Stunden mit multiplen Tassen Kaffeespezialitäten in einem Starbucks verbrachten, hatte ich auch schon das halbe Buch durch, bevor ich auch nur im Flugzeug saß. Und dabei blieb es erstmal. Ich kann im Flieger weder lesen noch schreiben.

Und nach der Rückkehr dauerte es eine Weile, bis ich wieder in das Buch hineinkam. Was mich in Newark noch mehr oder weniger begeistert hatte, wurde bald zu erst einem zähen und dann zu einem ärgerlichen Stück Jugendliteratur. Erst einmal stellte sich der Klappentext jenseits des Jetlags als doch ziemlich konventionell heraus: Drei Kinder verlieren auf mysteriöse Weise ihre Eltern, werden von Waisenhaus zu Waisenhaus gereicht, landen am Ende in einem unheimlichen Herrenhaus und werden in ein phantastisches Abenteuer verwickelt, das darauf hinausläuft, dass sie die Welt retten müssen. Das wäre jetzt per se nicht so schlimm, wenn das Buch dafür gutgeschrieben wäre oder zumindest gut geplottet, aber an letzterem scheitert The Emerald Atlas dann.… Weiterlesen “John Stephens: The Emerald Atlas”

bookmark_borderJames Dashner: The Maze Runner

Ich bin ein gefürchteter Plotknacker. Als ich mit zehn Jahren Timm Thaler gelesen habe, war meine erste Frage, warum er nicht wettet, dass er wieder lachen kann. Wenn ich grässliche Historienfilme sehe, kann ich sekundengenau vorhersagen, wann das Kohlebecken umfällt. Als Rollenspielerin habe ich meinen Spielleiter oft in Verzweiflung gebracht, indem ich selbst das kunstvollste Plotgerüst durchschaue. Vermutlich liegt es daran, dass ich selbst schreibe, und ich gehe auch anderleuts Geschichten nicht analytisch an, sondern synthetisch – ich zerlege sie nicht, ich baue sie auf, und die Frage ist immer ‘Wie würde es laufen, wenn ich das Buch geschrieben hätte’. Umso schwerer bin ich als Leser zufriedenzustellen: Ich werde gerne überrascht, und wenn ich jede entscheidende Wendung eines Buches vorhersehen kann, freut mich das nicht, sondern langweilt mich. So ist es mir jetzt auch mit The Maze Runner gegangen – einem sauspannenden Stück Jugendliteratur und leider doch unschön durchsichtig.

Ich hatte fast das Gefühl, ich könnte den Figuren Regieanweisungen geben – und dann doch wieder nicht, denn was ich ihnen auf Seite fünfzig zu tun befehlen wollte, machen sie erst zweihundert Seiten später: Das nervt irgendwie, und ich mag nicht denken, dass ich so ein unglaubliches Genie sein soll, es war wohl eher alles extrem naheliegend. Nur eine Wendung am Schluss, zugegeben, habe ich nicht erkannt. Aber immerhin habe ich das Buch auf Englisch gelesen und war somit besser dran als Leser der deutschen Ausgabe, die mit dem Titel Die Auserwählten – Im Labyrinth schon den halben Plot vorweggenommen bekommen und damit fast meine Taschenbuchausgabe von Inspector Jury sucht den Kennington-Smaragd schlägt, wo mir im Klappentext allen Ernstes der Mörder und das Versteck des Smaragdes verraten wurden.… Weiterlesen “James Dashner: The Maze Runner”