bookmark_borderJohn und Carole E. Barrowman: Hollow Earth

John Barrowman kenne ich als Schauspieler aus den Serien Doctor Who und Torchwood, und was ich von ihm da und in TV-Interviews gesehen habe, gefiel mir immer sehr gut – als ich dann gesehen habe, dass er auch Bücher schreibt, wurde ich neugierig. Zusammen mit seiner Schwester Carole E., einer Autorin und Lehrerin für Kreatives Schreiben, hat er für Kinder die Hollow Earth-Reihe geschrieben, deren ersten Band ich mir kurz nach ihrem Erscheinen 2012 angeschafft habe. Wie so oft bei mir, hat es über zehn Jahre gedauert, bis ich das Buch dann auch gelesen habe – aber ein Vergnügen war es nicht. Hollow Earth, das ich innerhalb von drei Tagen runtergelesen habe, mag spannend sein, aber seine Rollenbilder sind so angestaubt, dass es sich wie ein deutlich älteres Buch  angefühlt hat, und alles in allem hat das Buch den literarischen Nährwert eines durchweichten Pappkartons, hohl wie die Welt, die es dort zu entdecken gilt.

An der Prämisse liegt es nicht: Die Zwillinge Matt und Em haben eine so überbordende Phantasie, dass sie ihre eigenen Gemälde zum Leben erwecken können – das ist ein echt schöner Aufhänger für ein Buch für Acht- bis Zwölfjährige. Dachte ich. Aber nicht nur war das Buch eine herbe Enttäuschung, ich würde es auch keinem achtjährigen Kind in die Hände geben wollen, so grausam sind viele Szenen in dem Buch. Und dass ich mit meinen achtundvierzig Jahren nicht die Zielgruppe bin, lasse ich nicht stehen – ein gutes Kinderbuch bietet immer auch für Erwachsene etwas.… Weiterlesen “John und Carole E. Barrowman: Hollow Earth”

bookmark_borderGeraldine Harris: The Children of the Wind

Mit Erinnerungen ist das so eine Sache. Während ich mich bei der Lektüre von Prince of the Godborn noch an ziemlich viel von dem, was ich zuletzt vor fünfundzwanzig Jahren gelesen hatte, erinnern konnte, wusste ich vom zweiten Seven Citadels-Buch, The Children of the Wind, praktisch nichts mehr – nur an eine Nebensächlichkeit konnte ich mich noch erinnern, Fetzen eines Dialoges, ansonsten war alles so neu für mich, als hätte ich es nicht bereits zweimal zuvor gelesen gehabt. Und so habe ich das Buch gelesen, als hätte ich die frischen Augen eines Erstlesers, und die Spannung hatte mich von der ersten bis zur letzten Seite.

Das ging sogar schon los, bevor ich das Buch auch nur angefangen hatte. Noch während ich damit beschäftigt war, mich durch The Girl with Glass Feet zu quälen, habe ich die – oder besser, eine mögliche – Handlung von Children of the Wind geträumt. Dass ich von einer Geschichte, die ich lese, träume – sowas ist mir seit vielen, vielen Jahren nicht mehr passiert. Und nachdem ich beim Prince of the Godborn ja gar erst nicht mehr so sicher war, ob ich die Reihe überhaupt noch mochte, zu groß erschienen mir die handwerklichen Mängel des Buches, bin ich jetzt, nur einen Band später, wieder völlig verliebt in die Sieben Zitadellen.

Ich muss nicht mehr am Geschmack meines siebzehnjährigen Ichs zweifeln, und nicht an dem meines vierundzwanzigjährigen – heute bin ich doppelt so alt wie damals und würde mich doch am liebsten eher heute als morgen an eine Fanfiction machen.… Weiterlesen “Geraldine Harris: The Children of the Wind”

bookmark_borderAli Shaw: The Girl with Glass Feet

Von den Büchern, die ich mir um 2011, als ich meinen letzten größeren Leseschub hatte, gekauft habe, ist The Girl with Glass Feet sicherlich eines der Hübschesten. Das Cover in verträumt-verschneiten Grautönen, dazu ein silberner Seitenschnitt, lange bevor Farbschnitt ein Thema wurde: Dieses Buch verspricht eine zart-zerbrechliche, phantastisch-romantische Liebesgeschichte, und nachdem das Buch gut und gern zwölf Jahre ungelesen im Regal gestanden hat, erschien es mir wie eine gute Wahl für kalte Wintertage. Selten habe ich mit einem Buch mehr daneben gelesen.

Der Klappentext spricht die gleiche Sprache wie das Cover und lügt dabei auch nicht. Auf der Inselgruppe St. Hauda’s Land gehen merkwürdige Dinge vor: ein Tier geht um, dessen Blick alles, was er berührt, weiß wie Schnee macht, seltsame Tiere flattern umher, und Ida Maclaird wird, von den Zehen aufwärts, zu Glas. Kann der Außenseiter Midas Crook sie mit seiner Liebe retten? – ja, das klingt wie Romantasy vom Feinsten. Ist es aber nicht. Vom Genre her würde ich es bestenfalls unter »magischer Realismus« einsortieren, eher noch unter klassischer Belletristik. Und auch wenn eine Liebesgeschichte im Mittelpunkt des Buches steht, war es für mich doch an keiner Stelle romantisch.

Dabei ergänzen sie sich eigentlich perfekt. Midas ist ein Mann ohne Körper, ein schwebendes Auge, das die Welt durch die Linse seiner Kamera als stiller Beobachter sieht, außerhalb der Dinge und des Lebens, der im Verlauf der Handlung körperlich werde muss. Ida wiederum ist dabei, genau das – ihren Körper – zu verlieren. Beide durchleben eine Metamorphose: Midas hin zum Menschen, Ida hin zum Objekt.… Weiterlesen “Ali Shaw: The Girl with Glass Feet”

bookmark_borderGeraldine Harris: Prince of the Godborn

Eigentlich hatte ich mich nach der Lektüre von The Gilded Crown schon an ein anderes Buch gemacht, eines, das ich noch nicht kannte, aber dann habe ich es mir anders überlegt. The Gilded Crown hatte mir wehgetan, wie mir lang kein Buch mehr wehgetan hatte, und ich wollte nicht riskieren, dass es noch einmal passierte. Wundgelesen, wie ich war, wollte ich kein Risiko eingehen, und so griff ich zu einem Buch, das ich schon mehr als einmal gelesen hatte und das doch schon seit langem ganz weit oben auf meiner Leseliste stand: Prince of the Godborn von Geraldine Harris, erster Band der Reihe Seven Citadels, ein Klassiker der High Fantasy und ein kuschlig-vertrautes Stück Literatur, mit dem ich nichts falschmachen konnte. Dachte ich zumindest.

Wo andere den Herrn der Ringe als ihren Lieblings-Fantasymehrteiler nennen, als die Reihe, mit der sie aufgewachsen sind, waren das für mich Die Sieben Zitadellen. Ich hatte mir den Sammelband aus der Stadtbücherei ausgeliehen, als ich ungefähr siebzehn Jahre alt war, und die Geschichte hat einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. So etwas wollte ich auch schreiben können! So eine schöne, fesselnde Geschichte, so gewaltig der Weltenbau, so spannend die Figuren, so klassisch die Sammelqueste! Ich wollte mir die Bücher selbst anschaffen, aber da waren sie schon vergriffen, und es sollte ein paar Jahre dauern, bis ich die Reihe, alle vier Bände, antiquarisch beisammen hatte – aber damit hörte ich nicht auf, kaufte, über Antiquariate und später das Internet, weitere alle Bände der Sieben Zitadellen auf, die ich bekommen konnte, und wenn ich einen Satz zusammen hatte, verschenkte ich ihn: Das waren meine absoluten Lieblings-Lieblings-Lieblingsbücher, und ich wollte sie mit jedem lieben Menschen teilen können.… Weiterlesen “Geraldine Harris: Prince of the Godborn”

bookmark_borderMarianne Gordon: The Gilded Crown

Es ist lang her, dass ich meine letzte Rezension veröffentlicht habe – mehr als zwölf Jahre. Ebenfalls lang, wenn auch nicht ganz so lang, ist es her, dass ich das letzte Buch gelesen habe. Das hängt zusammen: Ohne die Aussicht, eine Rezension schreiben zu dürfen, fehlte mir meistens die Motivation, bei einem Buch, das mich nicht zu hundert Prozent in seinen Bann schlägt, bis zum Ende durchzuhalten. Aber ich dachte, als veröffentlichte Autorin – und das bin ich in der Zwischenzeit geworden – dürfte ich nicht mehr rezensieren. Mumpitz. Natürlich darf ich. Nicht hinterrücks und anonym die eigenen Kollegen schlechtmachen. Aber transparent und begründet loben und kritisieren. Und so bin ich wieder zurück mit Bibliophilis, nach nur zwölf Jahren Pause.

Was ich in den letzten Jahren unverändert getan habe, ist, Bücher zu kaufen. Schöne, interessante Bücher reizen mich wie eh und je, auch wenn ich kaum eines davon angefasst habe, nachdem es einmal im Regal stand. Seit dem letzten Februar bin ich Abonnent der Locked Library, einer britischen Überraschungs-Bücherbox, die mir jeden Monat ein schmuckes Buch liefert, komplett mit Farbschnitt, verziertem Einband und eingedrucktem Brief der Autor:innen. Ein Jahr lang habe ich diese Bücher bewundert, angegrabbelt, und in einem Stapel neben meinem Bett gesammelt – vieles davon hat mich auch von Klappentext her sehr angesprochen, aber gelesen habe ich keines von ihnen. Bis jetzt. Neues Jahr, neues Leben, neue gute Vorsätze.

Und auch wenn ich so neugierig auf das Buch war, das ich mir zum Wiedereinstieg ins Leserleben ausgesucht hatte, dass ich am liebsten noch im alten Jahr mit der Lektüre angefangen hätte, habe ich gewartet bis zum ersten Januar, ehe ich mich darüber hergemacht habe.… Weiterlesen “Marianne Gordon: The Gilded Crown”

bookmark_borderPaulo Coelho: Veronika beschließt zu sterben

Es gibt viele Bücher, die mir das Leben versüßt oder erleichert haben, aber nur von einem kann ich sagen, das es mir das Leben gerettet hat: Veronika beschließt zu sterben ist dieses Buch. Es war im Dezember 2000, als mein Leben in Trümmer ging. Dass ich wenige Tage später meine Arbeit verlieren sollte, wusste ich noch nicht, und als es dann geschah, war es bedeutungslos. Ich hatte meine Liebe verloren. Mein Freund verließ mich, einfach so, und ich brach zusammen. Ich konnte nicht mehr arbeiten. Am Nachmittag dieses Tages meldete ich mich krank und fuhr in die Stadt, um einen Psychiater aufzusuchen, der mein Leben retten sollte. Einen Termin hatte ich nicht. Die freundliche Sprechstundenhilfe: Im Moment ist hier alles voll, kommen Sie in zwei Stunden nochmal … Ich nickte dumpf. Zwei Stunden. Ich hatte keine Ahnung, wie ich die durchstehen sollte. Aber dann fuhr ich mit der U-Bahn weiter, zum Laden der Büchergilde Gutenberg. Was sollte mich besser aufmuntern als ein schönes Buch?

So kaufte ich Veronika. Der knatschgrüngelbe Umschlag gefiel mir nicht so gut, aber das Buch hatte man mir empfohlen, es war auch schon gerade von den Bestsellerlisten wieder runtergerutscht, und unter dem schützenden Papier fand sich ein wunderschöner verzierter Einband aus grüner Seide. Ich nahm das Buch und fuhr in die Innenstadt zurück Dann suchte ich eine Bank. Abgeschieden sollte sie sein. Ich wollte nicht in der Fußgängerzone sitzen und weinen. Hinter einer Seitenstraße fand ich das Kölner Opernhaus, der Platz davor verlassen bis auf ein paar Tauben und Bänke.… Weiterlesen “Paulo Coelho: Veronika beschließt zu sterben”

bookmark_borderCatherynne M. Valente: The Girl Who Circumnavigated Fairyland in a Ship of Her Own Making

Manchmal, in ganz besonders kostbaren Momenten, hat man ein schlechtes Gewissen für jedes Wort, um das eine Rezension länger ist als »Lies dieses Buch! Sofort!«, weil man so den Leser von der Lektüre dieses Kleinods abhalten könnte – da ist jede Sekunde zu viel, da muss der Leser sich sofort drauf stürzen wie ein Verhungernder auf ein Fischbrötchen und es dann mit jeder Zelle seines Körpers und Gehirns verschlingen, lesen und genießen. The Girl Who Circumnavigated Fairyland in a Ship of Her Own Making ist so ein phantastisch gutes Buch, und hier fühlt sich schon der Titel zu lang an, steht wie ein Hindernis zwischen Leser und Buch: Wieviel schneller könnte man sich doch darüber hermachen, wäre der Titel nur ein wenig kürzer! Und doch muss dieser lange Titel sein, und ist dieser lange Titel selbst schon ein Vorgeschmack auf das Innere des Buches, bild- und wortgewaltig und so schön, dass man davon weinen muss. Für mich gehört dieses Buch in eine Reihe mit einem meiner absoluten Lieblingsbücher, Alice’s Adventures in Wonderland, und es darf neben ihm stehen und muss sich nicht dahinter verstecken, so gut, so großartig ist es.

Alles an diesem Buch ist toll. Wie es in der Hand liegt, wie es sich anfühlt, der Schriftsatz, die wunderschönen Illustrationen… Noch bevor ich auch nur ein Wort gelesen hatte, hoffte ich, dass auch der Inhalt mitspielen würde: Dass ich ein neues Lieblingsbuch gefunden hatte. Und ich wurde nicht enttäuscht. The Girl Who Circumnavigated Fairyland in a Ship of Her Own Making hat einfach alles, und es ist für alle, für Kinder wie Erwachsene, für Romantiker und Satiriker, und es ist eines von der Sorte, die man ganz, ganz oft lesen kann.… Weiterlesen “Catherynne M. Valente: The Girl Who Circumnavigated Fairyland in a Ship of Her Own Making”