bookmark_borderMarianne Gordon: The Gilded Crown

Es ist lang her, dass ich meine letzte Rezension veröffentlicht habe – mehr als zwölf Jahre. Ebenfalls lang, wenn auch nicht ganz so lang, ist es her, dass ich das letzte Buch gelesen habe. Das hängt zusammen: Ohne die Aussicht, eine Rezension schreiben zu dürfen, fehlte mir meistens die Motivation, bei einem Buch, das mich nicht zu hundert Prozent in seinen Bann schlägt, bis zum Ende durchzuhalten. Aber ich dachte, als veröffentlichte Autorin – und das bin ich in der Zwischenzeit geworden – dürfte ich nicht mehr rezensieren. Mumpitz. Natürlich darf ich. Nicht hinterrücks und anonym die eigenen Kollegen schlechtmachen. Aber transparent und begründet loben und kritisieren. Und so bin ich wieder zurück mit Bibliophilis, nach nur zwölf Jahren Pause.

Was ich in den letzten Jahren unverändert getan habe, ist, Bücher zu kaufen. Schöne, interessante Bücher reizen mich wie eh und je, auch wenn ich kaum eines davon angefasst habe, nachdem es einmal im Regal stand. Seit dem letzten Februar bin ich Abonnent der Locked Library, einer britischen Überraschungs-Bücherbox, die mir jeden Monat ein schmuckes Buch liefert, komplett mit Farbschnitt, verziertem Einband und eingedrucktem Brief der Autor:innen. Ein Jahr lang habe ich diese Bücher bewundert, angegrabbelt, und in einem Stapel neben meinem Bett gesammelt – vieles davon hat mich auch von Klappentext her sehr angesprochen, aber gelesen habe ich keines von ihnen. Bis jetzt. Neues Jahr, neues Leben, neue gute Vorsätze.

Und auch wenn ich so neugierig auf das Buch war, das ich mir zum Wiedereinstieg ins Leserleben ausgesucht hatte, dass ich am liebsten noch im alten Jahr mit der Lektüre angefangen hätte, habe ich gewartet bis zum ersten Januar, ehe ich mich darüber hergemacht habe.… Weiterlesen “Marianne Gordon: The Gilded Crown”

bookmark_borderWolfgang Herrndorf: Tschick

Mein Vater war Lehrer in der Jugendpsychiatrie – bevor er pensioniert wurde, heißt das. Er hatte eine ganze Reihe verhaltensauffällige Achtklässler, Kinder aus verkorksten Elternhäusern, vernachlässigte Schulschwänzer, das ganze Spektrum jugendlichen Elends. Sicherlich auch Schüler wie Maik oder Tschick. Ich glaube nicht, dass er dieses Buch lesen möchte. Nicht, weil er so froh ist, diese Welt hinter sich gelassen zu haben, als der Schuldienst vorbei war, aber weil er das nicht auch noch mit nach Hause nehmen will. Er war immer bewundernswert gut darin, über den Dingen zu stehen und das nicht an sich heranzulassen, anders als ich, weswegen ich keine Lehrerin geworden bin und das erst recht nicht in der Psychiatrie. Ich nehme mir immer alles furchtbar zu Herzen, und darum hat auch dieses Buch mich stellenweise ziemlich fertiggemacht, obwohl es ein Jugendbuch ist und ich eine lang erwachsene Frau.

Ein Roadmovie sollte es sein, versprach der Klappentext, quer durch die ostdeutsche Provinz, »unvergesslich wie die Flussfahrt von Tom Sawyer und Huck Finn.« Darüber habe ich mich natürlich aufgeregt, ich rege mich immer auf, wenn irgendwo Blödsinn steht, denn natürlich war mitnichten Tom Hucks Reisekamerad auf der Floßfahrt, sondern der Sklave Jim. Zur Ehrenrettung der Büchergilde, bei der ich Tschick erstanden habe, ist das zumindest in der Beschreibung im Onlineshop inzwischen korrigiert. Ich bin also offenbar nicht der Einzige, der sich da aufgeregt hat. Trotzdem, da ich Huckleberry Finn sehr gerne mag (und das viel, viel lieber als Tom Sawyers Abenteuer, hat mich doch dieser Vergleich dazu bewogen, das Buch zu kaufen.… Weiterlesen “Wolfgang Herrndorf: Tschick”

bookmark_borderM.E. Kerr: Der Mädchenturm

Ein abgelegenes Internat, in dem seltsame Dinge vorgehen. Nachts hallen spitze Schreie durch den verufensten Teil des Gebäudes, den alten Mädchenturm. Lehrer verhalten sich seltsam, und Schüler auch. Wird es Flanders Brown gelingen, das Geheimnis der Charles-Schule zu lüften? … Warum habe ich dieses Buch nie früher gelesen? Mit dieser Inhaltsangabe hat es doch eigentlich alles, was ich liebe und schon immer geliebt habe.

Und man kann nicht sagen, ich hätte zu Der Mädchenturm keine Beziehung gehabt – jede Woche montags, zwei Jahre lang, habe ich die obere Kante des Buchrückens mit der Zeigefingerspitze angestupst und dabei »Ker, Ker« gemurmelt. Es war meine Aufgabe in der Stadtbücherei, den Bereich Jugendbücher in Ordnung zu halten, und dazu gehörte natürlich auch die Kontrolle, dass jedes Buch im Regal an seinem alphabetisch richtigen Platz stand. Ich weiß auch, dass ich dieses Buch ab und an herausgenommen, angeschaut, für langweilig befunden, und wieder weggestellt habe. Warum nur konnte ich es dieses Mal nicht genauso machen? Aber unser Wiedersehen endete mit einer Ausleihe, die ich noch bereuen sollte. Denn Der Mädchenturm von M.E. Kerr ist vor allem eines: Todlangweilig.

M.E. Kerr, das bekannteste Pseudonym der Autorin Marijane Meaker, gehört zu den wichtigsten Autoren zeitgenössischer amerikanischer Jugendliteratur, seit sie 1972 ihr erstes Buch veröffentlichte, und schreibt bis heute. Ob ihre Bücher auch von echten Jugendlichen gelesen werden oder in die Kategorie »Die Ewige Schullektüre« fallen (so wie in Deutschland Peter Härtling), ist schwer zu sagen – ich habe immer zu den Kindern gehört, die diese Bücher trotzdem lasen.… Weiterlesen “M.E. Kerr: Der Mädchenturm”